Der Winterschlaf ist zu Ende

Für den Bordmechaniker – 13. Lektion

Heft 35/1961

Ob unsere Vespa während des Winters außer Betrieb gesetzt und abgemeldet war oder ob sie uns jeden Tag von zu Hause zur Arbeit und wieder zurück gebracht hat oder ob sie noch weniger gefahren wurde, es gibt auf jeden Fall einiges zu beachten, bevor die Vespa wieder in normalen Betrieb genommen wird.

Wurde die Vespa während der Wintermonate abgestellt und abgemeldet, so nehmen wir an, dass der Roller sauber gewaschen und der Motor innen konserviert wurde, die nicht gespritzten Teile eingefettet wurden und die Chromteile einen feinen Überzug von Vaseline erhielten.

Es müssen also zunächst diese Einwinterungsmaßnahmen wieder beseitigt werden. Der Roller wird auf Hochglanz hergerichtet und aus dem Motor muss das Konservierungsmittel wieder entfernt werden. Letzteres macht man so:

1. Die Zündkerze aus ihrem Sitz schrauben.

2. Durch den Zündkerzensitz mit einer Spritze oder einem Messgefäß 12-15 ccm Gemisch im Verhältnis 1:10 einspritzen oder eingießen.

3. Zündkerze einschrauben, Benzinhahn am Tank auf „zu“ stellen, Zündkabel nicht an Kerze anschließen.

4. Den Kickstarter 10-12 mal kräftig durchtreten. Es werden am Auspuff feuchte Spuren austreten. Die Konservierungwird ausgespült. Der Vorgang 2, 3 und 4 kann auch wiederholt werden.

5. Zündkerze ausschrauben und mit Stahlbürste oder Benzin reinigen, auf keinen Fall mit Öl.

Elektronenabstand der Kerze auf 0,6 mm einstellen. Zündkerzen wieder einbauen und kräftig anziehen. Auf Vorhandensein der Zündkerzendichtung achten. Zündkabel anschließen und Motor antreten.

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 6. Betätigungsorgane überprüfen: das sind beide Bremsen, Kupplung, Schaltung und Gaszug und Gasgriff.

7. Batterie überprüfen und eventuell neu aufladen lassen. Dies geschieht am besten beim gewohnten Vespa-Service. Wurde die Batterie während des Winters nicht besonders gepflegt, also von Zeit zu Zeit der Säurestand überprüft und nachgefüllt, ferner ab und zu nachgeladen, so braucht man sich gar nicht zu wundern, wenn die Batterie größere Funktionsstörungen erlitten hat oder gar unbrauchbar geworden ist.

Ein einfaches Entladen der Batterie schützt diese nicht vor Verschleiß. Es muß auch die in den Zellen vorhandene Säure gründlich ausgespült werden. Dies wird jedoch selten einwandfrei gelingen und ist zudem mehr Arbeit als von Zeit zu Zeit eine kleine Wartung.

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8. Batterie einbauen und anschließen, denn diese war ja zur Überwinterung ausgebaut. Beim Einbau Vorsicht, dass der Anschluß richtig erfolgt. Bei falschem Anschluß: Entladung der Batterie und sehr wahrscheinlich Entmagnetisierung der Magnete im Schwungrad.

9. Vorgeschriebenes Gemisch auftanken und Motor zur Probefahrt antreten. Vorausgesetzt, dass alle Wiederzulassungsformalitäten erledigt sind. Achtung! Funktioniert Klappe zur Starterhilfe? Hat der Motor nach der Probefahrt seine Betriebswärme erreicht, in diesem warmen Zustand Öl ablassen, im Gehäuse frisches Motorenöl auffüllen, Motor wieder antreten und Getriebe und Kupplung ca. 5-10 sec. durchspülen. Danach Öl wieder sorgfältig ablassen und frisches offenes Motorenöl SAE 30 auffüllen.

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Sollte sich bei der Probefahrt herausstellen, dass die Kupplung nicht sofort ihre Funktion aufnimmt, nicht mit brutaler Gewalt zu kuppeln versuchen, sondern Kupplung im Vespa-Service gangbar machen lassen. Vielfach sind es nur Verklebungen, die durch langes außer Betriebsein entstanden sind.

Den Motor nicht im Stand betriebswarm laufen lassen.

Bei der Wiederinbetriebnahme zeigt es sich, ob das Fahrzeug sorgfältig für den Winterschlaf vorbereitet wurde. Sollte wirklich der Roller mehr oder weniger ungepflegt für einige Monate beiseite gesteIlt worden sein, sind Korrosionserscheinungen im Motor, Verrostungen in den Zügen, zerstörte Batterien u. a. eine logische Folge. Also nicht erstaunt tun und die Schuld woanders als bei sich selbst suchen. Hier hilft nur: Schleunigst zum VespaService und eine gründliche Inspektion in Auftrag geben.

War die Vespa den Winter hindurch im Betrieb, so wird dies meist im Kurzstreckenverkehr gewesen sein.

Die ohne größere Unterbrechung zurückgelegte Strecke wird zwischen 3 und 15 km betragen haben.

Auf so kurzen Strecken wird der Motor schon im Sommer nicht so warm, dass er den ihm zugeführten Treibstoff möglichst vollkommen verbrennt. Viel weniger im Winter, wo der Start in ca 18°-20° niederen Temperaturen erfolgt. Es wird also immer ein nicht unbedeutender Teil Treibstoff nur mangelhaft verbrannt den Motor verlassen.

Dadurch kommt es im Zylinder zu Verrußungen in den Überströmkanälen und im Auspuffkanal. Ebenso im Schalldämpfer selbst. Diese Rückstände müssen nun beseitigt werden. Also Zylinderkopf und Zylinder abnehmen. Zylinderkopf und Schlitze im Zylinder vorsichtig entkohlen.

Nach Abnahme des Zylinders liegt der Kolben frei. Man erkennt sofort, dass der Kolbenboden stärker verrußt ist als sonst bei Inspektionen. Ebenso sind die Kolbenringnuten mehr oder weniger stark verrußt, so dass die Kolbenringe nicht mehr das Spiel in den Nuten haben, dass diese zur einwandfreien Erfüllung ihrer Aufgaben haben müssen. Auch diese Nuten müssen entkohlt werden. Hierzu werden die Kolbenringe abgenommen, aber Vorsicht! Kolbenringe brechen leicht! Es lohnt sich, diese Arbeiten vom Fachmann machen zu lassen. Zu den Arbeiten vom Abnehmen des Zylinders bis zum Ausbau der Kolbenringe und zum Zusammenbau der ausgebauten Teile sind Werkzeuge notwendig, die weit über das Bordwerkzeug hinausgehen und auch schon ein Stück handwerklicher Gewandtheit erfordern.

Ihr Fridolin