Aus- und Einbau von Kolbenringen

Wenn man einen Motor zerlegt hat und die Kolben auf der Werkbank liegen, scheint es kein besonderes Problem mehr zu sein, auch noch die Kolbenringe abzunehmen. Ist das aber überhaupt nötig?

Moderne Kolbenringe sind aus sehr verschleißfestem Sondergusseisen hergestellt und verlieren durch eine entsprechende Vorbehandlung auch nach sehr langer Betriebszeit kaum ihre Spannung. Es ist durchaus möglich und nichts besonderes, dass die Kolbenringe eines Motors die gleiche Lebensdauer wie Kolben erreichen, also nicht durch neue ersetzt werden müssen. Warum also die Ringe vom Kolben abnehmen?

Die Meinungen und Erfahrungen gehen da auseinander. Um festzustellen, ob ein Kolbenring abgenützt oder noch voll verwendbar ist, muss er vom Kolben abgenommen werden. Bei Zweitaktmotoren setzt sich in den Kolbenringnuten Ölkohle an, was bis zum Festbacken des Ringes führen kann. Auch in solchen Fällen muss der Ring natürlich abgenommen werden, um die Ringnute reinigen zu können. Das gebrochene Ringe entfernt und durch neue ersetzt werden müssen, ist ebenfalls selbstverständlich.

Wenn aber ein Motor mit geringer Laufzeit aus irgend einem Grunde, der nichts mit den Kolbenringen zu tun hat, zerlegt wird, so besteht keinerlei Anlass, die Kolbenringe von den Kolben abzunehmen. Im Gegenteil, die Ringe werden davon nicht besser, es besteht die Gefahr des Vertauschens, also bleiben die Ringe am besten auf dem Kolben. Man überzeugt sich nur davon, dass sie nicht beschädigt sind und sich frei und leicht in den Ringnuten bewegen lassen.

Ganz falsch ist es, von fabrikneuen Kolben, die Zusammen mit einem ausgeschliffenen Zylinderblock von der Schleiferei oder vom Werk geliefert wurden, die Ringe abzunehmen. Dafür gibt es keinerlei Grund. Wir können ohne weiteres davon ausgehen, das die Kolbenfabrik ihre Kolben mit den richtigen und passenden Ringen und in der richtigen Reihenfolge ausrüstet. Das brauchen wir nicht zu kontrollieren. Und das Waschen der Kolben in Waschbenzin vor dem Einbau kann auch mit den aufgezogenen Ringen erfolgen.

Kolbenringe Bild 1

Trotz aller Ermahnungen, Kolbenringe nicht unnötig abzunehmen, müssen wir natürlich wissen, was beim Abnehmen und Aufsetzen der Ringe zu beachten ist. Denn es gibt gelegentlich zwingende Gründe für diese Arbeit.

Unser Bild 1 zeigt, wie Kolbenringe leider sehr oft abgenommen werden, wie man es aber nicht macht. Wenn der Ring dabei bricht, ist das noch das kleinste Übel, dann muss nur ein neuer beschafft werden.

Meist bricht der Ring aber nicht, sondern er wird so verwunden, dass er für immer verdreht bleibt und nicht mehr an den Flanken der Ringnut des Kolbens plan anliegt. Die Folge ist ein schlechter Wärmeübergang, und wenn man bedenkt, dass etwa 80% der Wärme des Kolbens über die Ringe an die Zylinderwand abgegeben werden, dann ist das schon ein wichtiger Punkt. Außerdem wird der Ring häufig zu weit aufgebogen und es ist nicht sicher, ob er davon nicht einen „Knick“ zurückbehält. Beschädigungen der Kolbenoberfläche durch die Enden des Ringes sind weitere Folgen der Kolbenring-Demontage mit zwei Daumen.

Die in Bild 2 gezeigte Kolbenringzange ist wohl heute in jeder modernen Werkstatt vorhanden. Die Zange stellt sich beim Schließen zunächst auf die Größe des Kolbenringes ein und spreizt ihn dann soweit auseinander, dass er abgenommen werden kann.

Kolbenringe Bild 2

Kolbenringe Bild 3

Wenn die Ringe einmal runter sind, werden selbstverständlich auch die Ringnuten gereinigt, in denen sich je nach der Qualität des verwendeten Öles und der Art Fahrbetriebes mehr oder weniger Ölkohle angesetzt hat. Das einfachste Werkzeug zum Entfernen dieser Ölkohle ist ein Stück von einem abgebrochenen Kolbenring, das am Ende mit der Feile angeschrägt wird und mit dem sich die Kohle wunderbar herauskratzen lässt (Bild 4).

Kolbenringe Bild 4

Wenn bereits gelaufene Kolben mit neuen Ringen versehen werden, dann ist es unbedingt notwendig, die Maße des Ringes zu prüfen, bevor er auf den Kolben aufgezogen wird. Dazu setzt man ihn zunächst in den Zylinder ein und prüft mit der Fühllehre die Breite des Stoßes. Damit der Ring bei dieser Messung auch genau rechtwinklig im Zylinder sitzt, wird er mit dem Kolben bis kurz vor das Zylinderende geschoben. Die Messung erfolgt unten im Zylinder, weil dieser hier auch nach längerer Betriebszeit noch das Originalmaß hat.

Der Ringstoß, den wir mit der Fühllehre messen, muß vorhanden sein, weil sich der Kolbenring bei Erwärmung des Motors mehr als der Zylinder ausdehnt und wenn dieser kleine Spalt nicht vorhanden wäre, würde er im Zylinder klemmen. Wie groß der Ringstoß sein soll, richtet sich unter anderem nach dem Durchmesser des Zylinders. Allgemein beträgt die Breite 0,2-0,4 mm, das Höchste für längere Zeit gelaufene Ringe sind 0,95 mm. Ist der Stoß größer, zeigt das einen starken Verschleiß des Kolbenringes an und dieser muss durch einen neuen Ring ersetzt werden.

Wenn neue Ringe zu viel Stoß haben, sind es nicht die passenden, sie können nicht verwendet werden. Geht der Ring gar nicht in den Zylinder rein oder ist der Stoß Null, hat man einen zu großen Ring bekommen. Nachfeilen des Stoßes ist hier falsch, man muss sich einen anderen Ring besorgen. Ein Nachfeilen kommt höchstens im Bereich von 0,051 bis 0,1 mm in Frage, wenn also ein Spalt da ist, aber dieser nicht ganz die vorgeschriebene Breite hat.

Zum Aufziehen der Kolbenringe verwenden wir auf jeden Fall wieder die Kolbenringzange.